Es ist kalt. Gerade einmal minus zwei Grad zeigt das Thermometer – Lufttemperatur. Strand und Rasen des Luisenbades liegen unter einer dicken Schneedecke. Ein paar Kinder wagen sich vorsichtig ein paar Schritte auf die bereits gefrorene Eisdecke. Nur wenige Meter weiter steht Anke Schwerdtle mit einem großen Beil in der Hand. „Ich muss ein Loch in den See schlagen“, sagt die 45-Jährige und holt für einen Schlag aus.
Es kracht, Eisschollen zerspringen. „Das sind weniger als drei Grad Wassertemperatur“, stellt sie fest. Und sie muss es wissen. Schließlich steht sie bereits bis zum Knie im Wasser. Doch was dann kommt, lässt Zuschauer schon bei dem bloßen Gedanken erschauern. Denn während einige dick vermummte Spaziergänger vom Ufer aus ihren Blick über den zugefrorenen See schweifen lassen, entledigen sich Schwerdtle und ihre Begleiterin Carola Stölting ihrer dicken Winterkleidung. Innerhalb kürzester Zeit stehen sie nur noch in Badeanzug und Bikini am Badesee.
Kalt sei ihnen nicht, sagen beide Frauen wie aus einem Mund. „Wir springen ja schon seit November in die Fluten“, lacht Anke Schwerdtle. Die Idee stammt von Carola Stölting. Denn als im November ein erneuter Lockdown für geschlossene Türen bei der Schenefelder Turnerschaft sorgte, suchte die 56-jährige Schenefelderin einen sportlichen Ausgleich. „Eigentlich wollte sie nur ein wenig kneippen“, erinnert sich Anke Schwerdtle, die sich spontan zum Mitmachen entschied. „Soll ja gesund sein“, dachte sich die 45-jährige Pöschendorferin, die beim ersten Mal allerdings nichts als Schmerzen empfand.
Auf den winterlichen Badespaß vorbereitet haben sich die Frauen, die im Dezember erstmals mit dem ganzen Körper in das eiskalte Wasser eintauchten, zuvor mit kalten Duschen. „Und dann haben wir uns einfach getraut.“ Mittlerweile sei das regelmäßige Winter- und Eisbaden etwas ganz Normales. Daher zögern sie auch nicht, in das drei Grad kalte Wasser zu steigen. Und das geschieht nicht langsam, sondern schnellen Schrittes. „Einfach rein und gut ist“, sagt Carola Stölting.
Anfangs stehen die Frauen ganz still im Wasser und kreuzen ihre Arme vor der Brust. „Wir tauchen ein“, gibt Stölting das Kommando zum Eintauchen. Dann wird es still. Die Badenden lassen ihren Blick über den See gleiten. „Am Hals ist es kalt“, sagt Anke Schwerdtle nach kurzer Zeit, während ihre Begleiterin die eisige Kälte eher an den Armen wahrnimmt. Wichtig sei es, so erzählen die durchtrainierten Frauen, den Kopf stets über Wasser zu halten. Schließlich verliere der Körper insbesondere über den Kopf viel Wärme.
All das hat Stölting in dem Buch des niederländischen Extremsportlers und „Icemans“ Wim Hof erfahren. „Die Praktik soll das Immunsystem stärken, müde Körper wieder topfit machen, die Durchblutung fördern sowie Herz und Kreislauf trainieren“, sagt Anke Schwerdtle. Zwei Minuten schaffen beide Frauen, die eigentlich seit vielen Jahren immer am 1. Mai anbaden, mittlerweile mit dem ganzen Körper unter Wasser zu bleiben.
Und danach? „Kalt ist einem nicht – und aufwärmen müssen wir uns auch nicht“, erklärt die 45-Jährige. Der Körper reguliere das von ganz alleine. Kaum zu glauben, wenn man sich die vor Kälte rot gefärbte Haut der beiden ansieht. „Die Durchblutung funktioniert.“
Wegen der derzeitigen Kälte schützen die Frauen Hände und Füße jetzt allerdings mit Neoprensocken und -handschuhen. Denn: Die Schmerzen an Händen und Füßen seien sonst nicht auszuhalten. Und während sie langsam aus dem Wasser steigen, überlegen sie scherzhaft, ob man das Winter- und Eisbaden nicht als neue Sparte bei der Turnerschaft anbieten solle. Schließlich wissen sie von 14 weiteren Personen, die auch zu dieser Jahreszeit regelmäßig in den Badesee steigen.
„Diese Kälte zu spüren ist einfach geil“, schwärmt Anke Schwerdtle und teilt die Meinung des Extremsportlers Hof. Lautet dessen wichtigste Botschaft doch: Jeder Mensch ist in der Lage, seinen Körper stark zu machen. Man muss eben nur trainieren.
Schenefeld, 04. Februar 2021
Quelle: sh:z
Bericht und Bild: K. Mehlert